Knast

Das Gefängnis in Tonna war besser
you scream I scream we all scream for ice cream
das Gefängnis duldet keine Abweichung
das Gefängnis ist Haft und kein Arbeitgeber
the system works?

Beim Eintritt ins Gefängnis streift der Inhaftierte seine bisherigen Alltagsrollen ab, lässt sie zusammen mit seiner Habe in einem Schrank und begibt sich in ein genau durchgetaktetes System, das ihn gleichermaßen strafen und bessern soll. Kommt er heraus – nach Monaten oder Jahren – kann er seine Besitztümer wieder abholen, was in der Zwischenzeit mit seiner Identität geschehen ist, zeigt erst das Leben draußen. Mit der Haft durchläuft der Insasse eine Zeit, in der Bestrafung, gesellschaftlicher Schutz, gewachsene Mechanismen, psychologische Verarbeitung und das Spannungsverhältnis zur Welt draußen aufeinander treffen.
Freiheitsentzug als Strafe, »abzusitzen« am extra dafür konzipierten Ort Gefängnis: Welche Vorstellungen von Schuld und Strafe liegen dem zu Grunde? Welche Rolle spielen gesellschaftliche Bilder, auch nach der Haft? Wie sieht es überhaupt aus hinter den Mauern, die ein- und aussperren, und ist das überall in Deutschland gleich? Und wer sitzt hinter Gittern? Wo im Gefängnis sind eigentlich Gitter und wie verbringen die Menschen ihren Tag?

Für die Stückentwicklung »Knast« spielen die Spieler*innen des Theaterhaus Jena die Theatergruppe der JVA Hohenleuben unter dem Coaching der Theatergruppe JVA Hohenleuben. Aber wen spielen sie da eigentlich: die Häftlinge, Verbrecher, spielen sie die Personen, die diese sind, spielen sie ein Klischee oder Filmbilder? Die Stückentwicklung basiert auf Interviews mit Insassen der JVA Hohenleuben, und bedient sich an Versatzstücken unseres kulturellen Gedächtnisses, dem das Gefängnis als Projektionsfläche dient wie wenig andere Orte.

Die Produktion ist in Kooperation mit der JVA Hohenleuben entstanden und wird im Theaterhaus Jena sowie in der JVA Hohenleuben gezeigt.
Premiere: 03. März 2023
Vorstellungsdauer: 90 min

Vielen Dank an Florian Reister sowie an die Gefangenen und Mitarbeiter*innen der JVA Hohenleuben, insbesondere an Herrn Frank (Leiter), Frau Hartmann (Beamtin für Sport und Freizeit), Frau Sander (Psychologin), sowie an Armani, Christopher, Daniel, Enrico, Fabian, Felix, Joe, Michael, Ricardo, Sebastian, Selim, Tobias u.a. (Mitglieder der Theatergruppe).

Besetzung

Von und mit: Nikita Buldyrski, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Paul Wellenhof
Konzept und Regie: Leon Pfannenmüller
Bühne: Maarten van Otterdijk
Komposition und Live-Musik: Wilhelm Hinkel
Kostüm: Carolin Pflüger
Konzept und Dramaturgie: Hannah Baumann

 

Pressestimmen

Katrin Bettina Müller schrieb in der taz:
»Es ist eine bemerkenswert gut gelungene Stückentwicklung, sensibel, witzig und reflektiert. Auf dem Boden der Bühne ist ein halbes Basketballfeld markiert. Zudem nutzt der Bühnenbildner Maarten van Otterdijk die Rückwand des Raums, deren Fenster einen kahlen Baum und gleich dahinter eine Ziegelmauer sehen lassen. Kein Ausblick, nirgends. ...
Bei persönlichen Erfahrungen anzusetzen, um gesellschaftliche Spielräume auszuloten, macht viele Stückentwicklungen im Theaterhaus Jena aus. Für Leon Pfannenmüller und Hannah Baumann heißt das auch, die Blase des Theaters überwinden zu wollen. Damit geht das Theaterhaus Jena einen anderen Weg als viele andere Stadttheater. In Jena, einer Universitätsstadt mit einem großen studentischen Publikum, funktioniert das gut. Nicht zuletzt aufgrund eines Kulturtickets, das Studierende für zwei Euro im Semester erwerben können und dann viele Veranstaltungen, wie die im Theaterhaus Jena, mit freiem Eintritt besuchen können.«

Hier ist der ganze Artikel:

Marlene Drexler schrieb für das Internetportal Nachtkritik:
»In KNAST wird die Jenaer Bühne zu einem Schlüsselloch, durch das das Publikum in die JVA Hohenleben hineinlinsen kann. Aber nicht als Voyeure, sondern als Zuhörer und Zuschauer, die die Gelegenheit bekommen, sich für eine Weile mit dem Leben der Häftlinge zu verbinden. Wenn Leon Pfannenmüller dann aus einem Brief von einem der Häftlinge vorliest, über die Sehnsucht nach einem Song, den der Mann im Gefängnis nicht hören kann, und darum bittet, genau jetzt diesen Song abzuspielen, schrumpfen Gefängnismauern.
Vieles wird an diesem Abend angerissen, aber wirklich ausgeführt wird nichts. "Knast" will kein Plädoyer für irgendwas sein, schlägt sich auf keine Seite. Behauptet nicht, zu wissen, wie irgendetwas besser ginge. Spricht niemanden von Schuld frei, sondern hält einfach den Widerspruch, Freiheit zu nehmen, um Freiheit zu geben, aus.«
Den ganzen Artikel finden Sie hier:

Wolfgang Schilling sagte im MDR-KULTUR-Radio:
»Da wird vieles in den Raum gestellt, ohne immer eine kluge Antwort parat zu haben. Gemeinsames Nachdenken ist angesagt. Das macht was mit dem Publikum, in 90 intensiven Minuten mit tiefgründigen, leisen aber auch turbulenten Momenten und einem emotionalen Ende. ... Selber hingehen, es lohnt sich!«
Hier ist der Beitrag.